Im Sternbild mit dem schönen Namen „Achterdeck des Schiffes“ kann man 171 Puppies A sehen, wenn auch nur schwer, denn dieser Stern leuchtet extrem schwach. Sein weißes Licht verrät dem bloßen Auge nicht, woraus der Stern besteht. Den sehr viel besseren künstlichen Augen der Teleskope aber schon.
Im Jahr 2010 war er einer von 71 Sternen, die sich Camilla Juul Hansen von der Europäischen Südsternwarte und ihre Kollegen ganz genau angesehen haben. Sie wollten herausfinden, woher Gold und Silber kommen.
Kurz nach seiner Entstehung von 13,8 Milliarden Jahren war die Auswahl an chemischen Elementen im Universum noch begrenzt. Es gab sehr viel Wasserstoff, ein bisschen weniger Helium, ganz geringe Mengen an Lithium und noch viel weniger Beryllium. Die restlichen chemischen Elemente des Periodensystems mussten erst durch Kernfusion im Inneren von Sternen entstehen. Heliumatome können dort zu Kohlenstoff und Sauerstoff verschmolzen werden; daraus wiederum können noch schwerere Elemente entstehen, und so geht es weiter, bis man bei Eisen angelangt ist.
Eisen ist problematisch für Sterne.
Bei allen Elementen des Periodensystems bis zum Eisen wird bei der Fusion immer Energie freigesetzt. Will man allerdings zwei Eisenatome miteinander verschmelzen, dann muss man dafür Energie aufbringen. Bei Eisen stoppt die Kette der Kernreaktionen, durch die im Inneren von Sternen neue Elemente gebildet werden. Alle noch schwereren Atome wie etwa Gold oder Silber müssen also auf anderem Wege entstehen.
Um Gold und Silber bilden zu können, braucht es Neutronen. Das sind die elektrisch nicht geladenen Bausteine der Atomkerne. Beschießt man Atom mit Neutronen, können diese problemlos in seinen elektrisch positiv geladenen Kern eindringen – im Gegensatz zu den ebenfalls elektrisch positiv geladenen Protonen, der zweiten Gruppe von Bausteinen im Kern, die von ihm abgestoßen würden. Lagern sich genug Neutronen an einem Atomkern an, wird er instabil und zerfällt. Bei den dabei stattfindenden Kernreaktionen wandeln sich einige der zuvor angelagerten Neutronen in Protonen um, und es entstehen neue und stabile Atome, wie eben Gold oder Silber.
In Teilchenbeschleunigern können wir diesen Vorgang gezielt ablaufen lassen. Aber wo sind die Beschleuniger im All?
Das ist noch nicht ganz klar, aber die Astronominnen und Astronomen sind sich ziemlich sicher, dass es zwei unterschiedliche Arten geben muss. Bei alten, großen Sternen ist die Fusion von Wasserstoff und Helium im Kern schon zum Erliegen gekommen, und nur noch in den äußeren Schichten werden Elemente miteinander verschmolzen. Dort können dabei viele Neutronen erzeugt werden, die den Prozess in Gang setzen, bei dem schwerere Elemente entstehen. Neutronen werden aber auch in größeren Mengen erzeugt, wenn ein Stern sein Leben mit einer Supernova-Explosion beendet. Da die Entstehung schwerer Elemente im ersten Fall langsam und im zweiten Fall schnell abläuft, hat man sie ein wenig unkreativ „s-Prozess“ und „r-Prozess“ genannt (nach „slow“ und „rapid“). Welchen Anteil die beiden Prozesse an der Produktion haben, ist noch nicht ganz verstanden; ebenso wo und unter welchen Bedingungen sie am besten stattfinden können.
Und, das haben Camilla Juul Hansen und ihre Kollegen durch die Untersuchung von 171 Puppies A und den anderen Sternen herausgefunden, wahrscheinlich gibt es noch andere Prozesse. Hansen und Co. haben sich Sterne verschiedener Masse und in unterschiedlichen Entwicklungsstadien angesehen und bestimmt, welche schweren Elemente in welchen Mengen dort jeweils zu finden sind. Die Daten variieren natürlich je nach Eigenschaften des Sterns. Aber wenn schwere Elemente auf die gleiche Art und Weise in den gleichen Prozessen gebildet werden, müsste ihre Menge auch in einer vergleichbaren Größenordnung variieren. Wenn zum Beispiel ein schwererer Stern mehr Silber produziert als ein leichterer. Genau solche Zusammenhänge fanden Hansen und ihre Kollegen in vielen Fällen. In vielen anderen Fällen aber auch nicht – dort schien es genau umgekehrt zu sein: Je mehr von dem einem Element produziert wurde, desto weniger des anderen ist zu finden.
Vor allem die Entstehung von Silber lässt sich nur mit r- und s-Prozess alleine nicht erklären; es scheint, als wäre hier noch ein dritter Prozess beteiligt, über den man noch nicht allzu viel weiß. Gold und Silber gehen bei ihrer Entstehung also wahrscheinlich unterschiedliche Wege. Und vermutlich gibt es neben den Supernova-Explosionen und alten Sternen noch weitere Orte und Phänomene im Universum, an denen und durch die die schweren Elemente produziert werden können. Einige konnte man schon finden, zum Beispiel die hochenergetischen Prozesse, die bei der Verschmelzung von Neutronensternen zu Schwarzen Löchern ablaufen. Dieses Phänomen konnten wir nur mit einer völlig neuen Technik – der Beobachtung von Gravitationswellen – erforschen. Wer Weiß, welche buchstäblich wertvollen Erkenntnisse da draußen noch auf uns warten...
Mit freundlicher Erlaubnis von Florian Freistetter (Podcasts: Sternengeschichten / Das Klima / Das Universum. Außerdem gibt es viele weitere sehr lesenswerte Bücher von ihm!)
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